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Depeche Mode: Vor 40 Jahren erschien „Some Great Reward“

Mit ‚Some Great Reward‘ versprachen Depeche Mode ihren Fans eine großartige Belohnung – ihr viertes Studioalbum. 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung blicken wir zurück auf ein Werk, das für Depeche Mode einen musikalischen Wendepunkt einleitete. 

Als 1984 „Some Great Reward“ erschien, passte der Longplayer sehr gut zum damaligen Zeitgeist: es war zugleich tanzbar, gefühlvoll, neuartig und provokativ. Mit Songs wie „People Are People“ und „Master And Servant“ spielte sich die Band in die Clubs und sprach zugleich unbequeme Themen an.

Auf „Some Great Reward“ setzten Depeche Mode den experimentellen Ansatz des Vorgängeralbums „Construction Time Again“ fort. Mit dem Einsatz der noch jungen Sampling-Technik loteten Dave Gahan, Martin Gore, Andy Fletcher und Alan Wilder ihre Grenzen weiter aus. Dabei nahmen sie alltägliche Geräusche auf und verwandelten sie in musikalische Elemente – eine Praxis, die Mitte der 80er-Jahre schnell zu einem Markenzeichen von Depeche Mode wurde.

Bei der Auswahl des Produzententeams machte die Band dagegen keine Experimente: Die vier Engländer arbeiteten wieder mit MUTE-Chef Daniel Miller zusammen, der seit dem Debüt „Speak & Spell“ alle Alben der Band produziert hatte. Und mit Gareth Jones. Der Klangtüftler hatte schon beim Vorgänger als Toningenieur an den Klangreglern gesessen, stieg für die Aufnahmen von „Some Great Reward“ in die Rolle eines Co-Produzenten auf und zeigte sich beim Einsatz von Sampling äußerst kreativ.

Neue Heimat in Berlin

Die Aufnahmen zum vierten Studioalbum fanden von Januar bis August 1984 in London und (West-)Berlin statt. Die damals geteilte Stadt übte insbesondere auf Martin Gore einen großen Einfluss aus. Der frisch verliebte Songwriter hatte in Charlottenburg eine Wohnung mit seiner deutschen Freundin Christina angemietet und zog gerne durch die Clubs der Stadt. In West-Berlin gab es keine Sperrstunde, es konnte also rund um die Uhr gefeiert werden. Vor allem die SM-Szene hatte Gores Interesse geweckt. Das machte sich schnell auch optisch bemerkbar. Fortan dominierte schwarzes Leder das Erscheinungsbild. Alle Bandmitglieder vollzogen diesen optischen Wandel, aber Martin Gore trieb es am weitesten. Lederriemen oder Frauenkleider gehörten zu seinem bevorzugten Outfit genauso wie Halsketten und Nagellack. Gore liebte das Spiel mit den Geschlechtern.

Die Band hatte sich die Hansa Studios in Sichtweite der Berliner Mauer für die Aufnahmen ausgesucht, nicht zuletzt auch aus Kostengründen. Der Zufall wollte es, dass zeitgleich die Einstürzenden Neubauten im Studio an ihrem Album „Halber Mensch“ arbeiteten. Beide Bands verband die Liebe zu Industrialklängen. Und so fand zwischen den Musikern ein reger Austausch statt. Später behauptete Blixa Bargeld, dass Gareth Jones Samples der Neubauten gemopst habe, was der allerdings vehement bestritt. Egal.

Unbestreitbar ist, dass der Sound von Depeche Mode auf „Some Great Reward“ härter wurde. Davon zeugt nicht nur der treibende Opener „Something To Do“, in der Gore die große Langeweile besingt („I’m going crazy with boredom“), mit der er in seiner Heimatstadt Basildon als Jugendlicher zu kämpfen hatte.

Industrialklänge im Pop-Kontext

Ein Ausrufezeichen hinter den neuen Sound setzte vor allem die erste Single „People Are People“. Sie brachte Depeche Mode Anfang Mai den ersten Nummer-eins-Hit in Deutschland ein. Der Beat bestand aus gesampelten Industrialklängen, was für die damalige Pop-Musik geradezu revolutionär war. Die neuartige Klangästhetik wurde begleitet von einem Musikvideo, das die Band auf einem britischen Kriegsschiff zeigt. In dem Clip schlagen Dave, Martin, Fletch und Alan auf allerlei Gegenstände ein oder bedienen nautische Geräte. Das Video gehört in der Rückschau sicherlich zu den schlechteren Musikclips der Band. Aber Mitte der 80er, zur Zeit des Kalten Krieges, passte alles zusammen.

Viel zur Popularität von „People Are People“ trug in Deutschland die ARD bei. 1984 fanden in Los Angeles die Olympischen Spiele statt und die Fernsehanstalt setzte den Song für ihre Berichterstattung ein.

Obwohl die Single der Karriere von Depeche Mode einen ungemein großen Schub verlieh, gehört der Song, der sich inhaltlich gegen Diskriminierung und Intoleranz wehrt („I can’t understand, what makes a man, hate another man, help me understand“), nicht gerade zu den Favoriten der Band. Im Gegenteil. Alan Wilder empfand „People Are People“ als „Disco Single“, Songwriter Martin Gore war der Text zu platt und der Song zu poppig. Seit 1988 haben Depeche Mode „People Are People“ nicht mehr live gespielt.

Radiostationen boykottieren Song

Mit der zweiten Single „Master and Servant“ im August wagten sich Depeche Mode mit einem doppeldeutigen Text auf das musikalische Parkett. Der Song spielt mit BDSM-Bildern („You treat me like a dog, get me down on my knees, we call it master and servant“), was für einige Radiostationen wie der BBC zu viel war: die spielten die Single nicht im Programm. Dabei ging es Martin Gore in dem Song eigentlich darum, die Machtverhältnisse zu thematisieren, wie wir sie in der Gesellschaft oder im Privatleben erleben.

Das Abmischen des Songs gestaltete sich im Studio sehr aufwändig. Ganze sieben Tage tüftelte die Band, um am Ende festzustellen, dass sie beim letzten Refrain versehentlich den Kanal mit den Snare-Drums abgeschaltet hatte. Dem Erfolg tat das allerdings keinen Abbruch: Die Single konnte sich in Deutschland auf dem zweiten Platz der Charts platzieren.

Auch mit der zwei Monate später folgenden dritten Single „Blasphemous Rumours“ eckte die Band ordentlich an. Der düstere Text handelt von einem jungen Mädchen, das sich aus Verzweiflung die Pulsadern aufschlitzt, gerettet wird, ihren Glauben zu Gott findet und schließlich bei einem Autounfall ums Leben kommt. Im Refrain heißt es „I don’t want to start any blasphemous rumours / But I think that God’s got a sick sense of humor / And when I die I expect to find him laughing“. Harter Tobak für gläubige Christen.

Bereits nach der Ankündigung von Depeche Mode, den Song als nächste Single zu veröffentlichen, hatte es Proteste von religiösen Gruppen gegeben. Die Band entschied sich daraufhin vorsichtshalber, eine Doppel-Single mit dem weiteren Albumtrack „Somebody“ zu veröffentlichen.

Ein Jemand für den Rest des Lebens

„Somebody“ gehört neben „Stories of Old“ und „It Doesn’t Matter“ zu den Liedern des Albums, die Martin Gore über die Liebe schrieb. Wahrscheinlich ist „Somebody“ eines der schönsten Lieder, die der Musiker jemals schrieb. Und er sang es auch gleich selbst.

In dem spärlich nur mit einem Klavier instrumentierten Song formuliert sein lyrisches Ich seine idealtypische Vorstellung von einer lebenslangen Beziehung („I want somebody to share, share the rest of my life“). Natürlich darf bei so viel Wunschdenken der Gore’sche Twist nicht fehlen („Though things like this, make me sick, in a case like this, I’ll get away with it“), den der Songwriter etwa auch im Stück „Stories of Old“ („I couldn’t sacrifice anything at all To love“) aufblitzen lässt.

Dennoch, oder gerade deswegen: „Somebody“ wurde bis heute auf unzähligen Hochzeiten mit Beteiligung von Depeche Mode Fans gesungen. Martin Gore höchstpersönlich sang „Somebody“ als Ständchen bei der Hochzeit von Live-Musiker Peter Gordeno, wie ein ins Netz geladenes Video beweist.

Natürlich darf zu „Somebody“ nicht unerwähnt bleiben, dass Martin Gore den Song im Studio splitterfasernackt eingesungen hat.

For Martin Gore war „Somebody“ die erste Single mit dem Songwriter als Leadsänger. Ein anderes Bandmitglied sollte auf „Some Great Reward“ ein letztes Mal einen Albumtrack für Depeche Mode veröffentlichen. Alan Wilder lieferte mit „If You Want“ einen Uptempo-Stück ab, das textlich weit hinter der Goreschen Tiefe zurück blieb. Wilders herausragende Qualitäten lagen auf einem anderen Gebiet: Im Studio verbrachte er sehr viel Zeit damit, an den Sounds für die Songs zu feilen. Seine Leidenschaft hierfür teilte er mit Daniel Miller, während Martin Gore diese Detailarbeit wenig interessierte.

Düstere Töne auf dem Weg in die Zukunft

Verglichen mit dem Vorgängeralbum ‚Construction Time Again‘ zeigten Depeche Mode auf „Some Great Reward“ eine deutlich düstere Seite von sich. Sowohl musikalisch als auch textlich schlug die Band merklich andere Töne an: die einst süßen Synthiepopmelodien weichen langsam einem melancholischen Electro-Stil, wie er beim anschließenden Nachfolger „Black Celebration“ endgültig zum Markenzeichen der Band werden sollte.

Auch mit Abstand von 40 Jahren klingt „Some Great Reward“ noch erstaunlich komplex und lädt die Zuhörer ein, auf eine Entdeckungsreise zu gehen. Getragen von Dave Gahans markanter Bariton-Stimme gilt es in den neun Songs die vielen kleinen Melodien und unzähligen Samples aufzuspüren, mit denen Depeche Mode in den 80ern Pop-Musik-Geschichte schrieben.

„Some Great Reward“ erblickte am 24. September 1984 das Licht der Welt. In Deutschland erreichte das Album den zweiten Platz der Album-Charts.

Jetzt seid ihr dran: Was verbindet ihr persönlich mit „Some Great Reward“? Schreibt es uns in die Kommentare!

Sven Plaggemeier

Hi, ich bin Sven und betreibe als Gründer die Webseite depechemode.de. Hauptberuflich leite ich ein Team von Content-Spezialisten bei einem Telekommunikationsunternehmen. Vernetze Dich gerne mit mir bei Facebook, LinkedIn oder Xing.

6 Kommentare

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  1. Welch ein Spektakel lässt dieses Album vom Stapel. Ein sehr schönes Werk aus dem DM Katalog. Meine Favoriten sind hier Blasphemous Rumours und Stories of Old. Es gibt eine ganze Reihe guter bis sehr guter Songs aus alten Tagen. Some Great Reward hat wirklich einiges zu bieten und darf in keiner gut sortierten Plattenkiste fehlen.

    Antworten
  2. Ein weltklasse Album ...

    … und ganz gleich, wie die Band auch selbst zum Song stehen mag:

    „People are people“ steht mit seiner unerbittlichen Wucht nach wie vor für sich, klingt auch heute noch technisch perfekt – und ist leider Gottes zeitlos.

    Nach Bands mit großer Strahlkraft und mit dem Mut, in dunklen Zeiten Stellung zu beziehen, muss man heute lange suchen.

    Damals gab es noch Musik mit Botschaft.

    Heute ist Vieles belanglos.

    Danke an unsere Helden auch für dieses Album. Und Andrew: Wir vergessen dich nicht einen Tag lang, sobald es um Depeche Mode und um große Belohnungen geht.

    Antworten
  3. Happy Anniversary

    Some Great reward

    und ganz dollen Dank @Sven Plaggemeier für dieses mMn sehr interessante Forumsthema, gerade weil dieses Masterpiece von DM ( weitere sollten folgten) wohl sehr viele DM Fans prägten und für viele wie auch für mich den Stammplatz als Fixstern im persönlichen Musikuniversum festigte. Was ich selbst mit der „ großen Belohnung“
    ( welch clever LP Titel) verbinde ?
    Zunächst einfach eine tolle Jugendzeit als angehender 18jähriger zu derzeit, Freunde mit denen man den Songs mitsang
    ( die Texte kannte man fast auswendig) , Disco Tourismus, einen verzweifelten
    Friseur : o, das durchforsten etlicher Second Hand Shops , ein unvergessliches Konzert in LU Friedrich Ebert Halle, bei dem
    Dave m i r sein Handtuch zuwarf (Bilde ich mir zumindest ein)und ja, ein bisschen mehr Selbstbewusstsein. Ein Sound der einem beim Erwachsenen und kritischer werden half.
    SgR ist komplex und etwas düsterer
    als CTa, vielmehr geprägt durch Sampling und synthClavier, derSound von SGR hat für mich immer das Bild eines dunklen, kochenden, post Industrial West Berlin, eines Metropolis mit dunklen
    Glam, eine ganz eigene Aura. Es war die Zeit des Underground und völlig neuer Beats und Soundklänge. Zeitschriften wie Spex oder „Teenie“ Zeitschriften mit Posters von DM in dem sie selbst Erwachsener wurden. Es war war auch die Zeit des Industrial Sound in gewissen Kellerdiscos, wo auch
    Songs von Einstürzende Neubauten, SPK, die frühen Laibach oder esplendor geometrico liefen und
    DM gaben diesen oft disharmonischen, lärmenden und treibende Klängen auf einmal Harmonien, Melodien und eine melancholische Zugänglichkeit.
    SgR ist aber für mich auch ein Kind der damaligen politischen Verhältnisse, kalter Krieg, zunehmende Unsicherheit, der einsetzende Wandel von der analogen in eine digitale Zukunft,
    keine leichte Herausforderung für einen Jugendlichen, aber SGR gab mir irgendwie Zuversicht und mit Dancefloor Banger wie MaS,PaP oder my Favorit something to do
    auch den Jugendlichen Trotz, jetzt erst recht.
    Eine LP die für mich nicht von ihrem
    Charme verloren hat und dieser liegt mMn in einer gewissen Dystopie der LP und gegensätzlich
    hierzu einer Utopie, die das Licht ins
    dunkle brachte.
    Die hervorragende LP und Song Beschreibung… Chapeau und auch hierfür danke.
    Best regards

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  4. Herzlichen Glückwunsch

    Alles gute zum 40. Geburtstag,

    du absolutes Hammeralbum , gepresst in helllgraues Vinyl
    der Plattenteller meiner damaligen „Kompaktanlage“ hat sich damals schwindelig
    gedreht

    auch mein bester Kumpel damals ist mit dieser Scheibe mit DM infiziert worden
    wir haben im zarten Alter von 15 Jahren bei “ If you want“ – Luft Synthesizer-!!!
    gespielt und wilde Bewegungen gemacht :) :)

    beim Video von „Blasphemous Rumors “ flogen die Waschbretter und Kochtöpfe durch
    den TV Bildschirm

    und dann noch……“ it’s a lot, it’s a lot
    it’s a lot, it’s a lot
    it’s a lot, it’s a lot
    it’s a lot, like life“

    ein Jahr später Metal-Mix von „Something to do “ auf der B-Seite von Shake the disease
    (wenn ich mich nicht täusche??)

    best time of my life,i think

    Antworten
  5. Some Great Reward

    Ein absolutes Über-Album
    Es war schon bei CTA um mich geschehen aber
    SGR hat noch einen drauf gesetzt

    Danke dafür

    Antworten
    • @Markus

      Genauso war es bei mir:)
      Some great reward, ein absolutes Mega Album! Ich war damals wie heute total geflasht und ja, „People are people“ ist nach wie vor aktuell und so nötig, gespielt zu werden.
      Happy Birthday SGR!! ;)

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